Torun: Julian Wagner krönt seine Hallensaison mit Einzelstart bei Hallen-EM

Das i-Tüpfelchen auf eine grandiose Hallensaison: Die Reise begann für Julian Wagner in Chemnitz und findet nun am Samstag (6. März) mit seinem Einzelstart bei den Hallen-Europameisterschaften in Torun seinen krönenden Abschluss. Der Sprinter vom Top Team Thüringen steht vor seinem ersten internationalen Einsatz bei den Aktiven und möchte sein Niveau aus den vergangenen Rennen nochmals bestätigen. Abgekapselt von der Außenwelt bereitete er sich seit Sonntag in dem idyllisch gelegenen Sportzentrum in Kienbaum auf seinen EM-Einsatz vor.

Es ist Dienstag, ein Tag vor der Abreise nach Torun. Das Abschlusstraining liegt hinter Julian Wagner, der Nachmittag ist frei. Zeit, um ein wenig Sonne zu tanken. Dafür findet er ein ruhiges Plätzchen an einem Steg am Liebenberger See – und schaltet dabei unweigerlich in den Offline-Modus. Er genießt die Ruhe, die Stille um ihn herum. Kein Handy, keine Ablenkungen. Einfach mal Zeit für sich, um Kraft zu tanken für die kommenden Aufgaben. „Ich konnte mich hier komplett auf den Sport konzentrieren und hatte keine beruflichen Verpflichtungen. Wir leben in einer Art Blase, wo man sich zu 100 Prozent nicht mit dem Virus anstecken kann“, berichtet der Erfurter Sprinter, der sich am Abend noch ein wenig „Nervenfutter“ für die Busfahrt am Mittwoch besorgt.

Kein Druck, Spaß haben und Erfahrungen sammeln

Um die 400 Kilometer liegen zwischen Kienbaum und Torun. Die Stadt an der Weichsel ist das Ziel einer Reise, die für den 22-Jährigen im Januar beim Abendsportfest in Chemnitz begann. Damals blieb er mit 6,65 Sekunden knapp über der geforderten Norm (6,63 sec), die er im Laufe der Hallensaison noch unterbieten sollte. „In Torun will ich die Leistung mit stabilen Zeiten um die 6,60 Sekunden abrufen, die ich in den vergangenen Wettkämpfen gezeigt habe. Ich denke, das Halbfinale ist machbar. Sollte es sogar für das Finale reichen, dann ist dort alles möglich“, blickt er voraus.

Noch hat das Kribbeln nicht eingesetzt. Am anderen Ende der Leitung wirkt Julian Wagner cool, locker und entspannt. „Ich mache mir selbst keinen Druck. Ich möchte Spaß haben, Erfahrungen sammeln wie internationale Wettkampfpraxis, die mir in den zukünftigen Rennen sicherlich helfen wird.“ Ebenso wie ein routinierter Ablauf. Den gab ihm Heimtrainer Tobias Schneider mit an die Hand. „Ich habe mit ihm die ganze Woche durchgesprochen. Das fängt beim Aufstehen um 7 Uhr an, weil die erste Qualifikationsrunde um 10.18 Uhr beginnt. Wir telefonieren jeden Tag. Man spürt, der Junge freut sich auf seinen Einsatz, ist richtig heiß und baut von Tag zu Tag immer mehr Spannung auf. Und am Samstag soll er dann zünden.“

Dritter Einsatz mit Adler auf der Brust

In der Vergangenheit wurde er schon zweimal vom Deutschen Leichtathletik Verband (DLV) für einen internationalen Einsatz nominiert. Allerdings für Einsätze in der Staffel. Erstmals 2016. Bei den U20-Weltmeisterschaften im polnischen Bydgoszcz rannte der eigentliche Kurzsprinter mit der deutschen Staffel über 4x400 Meter auf Platz fünf. Bei den U23-Europameisterschaften in Gävle blieb er 2019 ohne Einsatz in der Sprintstaffel. Nun also der erste Einzelstart. Und das bei den Aktiven. „Es erfüllt mich mit Stolz, den Adler auf der Brust zu tragen und mein Heimatland international vertreten zu dürfen. Für mich ist es etwas ganz Besonderes und zeigt, dass ich in der deutschen Spitze angekommen bin.“

Gleichzeitig erfüllt sich für ihn ein Traum. Und das in einer recht unbeständigen Zeit. Trotz der Corona-Einschränkungen konnte er sich als Leistungssportler optimal auf die Hallen-Wettkämpfe vorbereiten. Das Erfurter Gesamtpaket mit Ärzten, Physiotherapeuten, dem OSP Thüringen, den Erfurter Sportbetrieben sowie dem Trainerteam und der Trainingsgruppe machten diesen Erfolg erst möglich. „Dass in der Hallensaison alles so aufgegangen ist, ist einfach nur schön. Gerade nach den vielen Aufs und Abs in den vergangenen Jahren. Für mich geht mit dem Einzelstart ein Traum in Erfüllung“, sagt Julian Wagner mit stolzer Stimme.

Und eben jenen Traum erfüllte er sich für ihn bei der Hallen-DM in Dortmund als Zweitplatzierter mit Bestzeit (6,59 sec). Die finale trainingswissenschaftliche Auswertung der Sprintrennen erreichte das Trainerteam die Tage. Und zeigte einen weiteren Aufwärtstrend. „Im Vergleich zur Hallen-DM im vergangenen Winter hat er sich am Start stark verbessert. Wenn er im Wettkampf den Start trifft, dann kann es ein sehr gutes Rennen werden. Das hat er zuletzt gezeigt und war der Schlüssel zum Erfolg. Der Start muss stimmen“, betont Tobias Schneider.

Kulinarisches Ritual: Pizza macht schnell

Zunächst gilt es die Qualifikationsrunde zu überstehen. Gemeldet haben 71 Athleten. „Dort muss er sich erstmal behaupten, um den Weg ins Finale zu finden. Ich habe keine Erwartungen an ihn gestellt. Er soll einfach sein Ding machen und das tun, was er liebt“, sagt Tobias Schneider, der ihn am Freitag nochmal auf den Wettkampf einstellen wird. „Taktikbesprechung“ nennt er das abschließende Gespräch mit Julian Wagner, um seinem Schützling den letzten Motivationskick zu geben. „Für mich ist es genauso aufregend“, gibt Tobias Schneider zu.

Das Gespräch ist das eine, das andere ein kulinarisches Ritual: Pizza. Klingt vielleicht etwas ungewöhnlich, soll aber schnell machen. In Dortmund (PSD Bank Indoor Meeting/Hallen-DM) halfen zwei glutenfreie Bruschetta Pizzen. „Das hat irgendwann mal angefangen. Es hat mir Glück gebracht und seitdem esse ich einen Abend vor dem Wettkampf eine Pizza. Die Sorte ist mir dabei egal. Hauptsache Pizza“, berichtet Julian Wagner von seinem Ritual und verrät ganz nebenbei, dass die beste Pizza von seiner Mama kommt. „Sie hat den Teig immer selbst gemacht. Ich durfte ihn dann nach meinen Vorstellungen belegen.“ Und vielleicht gibt es nach einem erfolgreichen EM-Start sogar eine Nach-Wettkampf-Pizza alla Mamma.

Die Familie, die Freundin sowie die Trainer und die Trainingspartner werden am Wettkampftag sicherlich fleißig am Livestream hängen und Daumen drücken. „Wir haben am Samstag noch ein Training mit einigen Athleten. Danach werden wir alle gemeinsam am Livestream mit Julian mitfiebern“, erzählt Tobias Schneider über die kollektive Unterstützung aus Erfurt. Schließlich sind auch sie mehr als gespannt, was Julian Wagner bei seiner EM-Premiere als "Zugabe" nach seiner ohnehin schon grandiosen Hallensaison auf die Bahn trommelt.

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