Leichtathletik im Land Thüringen und in den thüringischen Bezirken der DDR (1945-1990)
Thüringer Meisterschaften 1948 und Ostzonenmeisterschaften 1949 und der Ehrgeiz der Stadt Jena, Sportmetropole Thüringens zu werden
Der zweite Weltkriegs hatte für den Sport verheerende Folgen. Zahlreiche Athleten waren gefallen, zum Krüppel geworden oder befanden sich noch in Gefangenschaft. Die Sportstätten verfielen oder wurden zweckentfremdet genutzt. Hunger und Not ließen ein planmäßiges Training nicht zu. Restriktive Verordnungen der sowjetischen Besatzungsmacht unterbanden bis zum Frühjahr 1948 den Aufbau landesweiter Sportstrukturen, und im Unterschied zu anderen Sportarten, wie Fußball, Handball und Kegeln, blieb in der Leichtathletik das Wettkampfwesen völlig unterentwickelt.
Am 14./15. August 1948 wurden in Jena die ersten Thüringer Leichtathletikmeisterschaften nach dem Ende des zweiten Weltkriegs ausgetragen. Als Veranstalter traten der im Juli 1948 gegründete Landessportausschuß Thüringen und seine Leichtathletiksparte hervor. Unter den 199 Gemeldeten befanden sich viele bekannte und gestandene Athleten, wie z.B. Siegfriede Dempe, Margot Kirchner, Horst Schlegel und Erika Junghanns (alle Jena), aber auch jüngere Aktive wie die erfolgshungrigen Erfurter Heinz Birkemeyer, Gerhard Schmolinsky und Gerhard Brauch. Nicht zufällig setzten sich vor allem diejenigen Sportgemeinschaften führend in Szene, in denen bereits 1946/47 der Wiederaufbau der Leichtathletik eingesetzt hatte, die SG "Ernst Abbe" Jena, die SG "Otto Schott" Jena und die SG Erfurt-Nord. Von den 30 bei den Landesmeisterschaften vergebenen Titeln, 20 bei den Männern und 10 bei den Frauen, blieben 16 in Jena, je 8 bei der SG "Ernst Abbe" und bei der SG "Otto Schott". Nur Erfurt mit 7 Titeln konnte der Jenaer Übermacht etwas entgegensetzen. Bei den Ostzonenmeisterschaften in Chemnitz gewannen die Thüringer sechs Titel, u.a. Heinz Birkemeyer im 100-m-Lauf, Erika Junghanns im Weitsprung und die 4x100-m-Frauenstaffel der SG "Ernst Abbe" Jena.
Ein Höhepunkt in der Nachkriegsgeschichte der Thüringer Leichtathletik waren die Ostzonenmeisterschaften in der Leichtathletik 1949 in Jena. In sieben Disziplinen setzten sich Thüringer Sportler durch, fünfmal in den Farben der Jenaer Sportgemeinschaften "Ernst Abbe" und "Otto Schott". Zu Siegerehren kamen: Siegfriede Dempe, Heinz Stephan, Horst Schlegel und Horst Rudolph (alle Jena), Annemarie Ritter (Gotha), Georg Frister (Gera) und einmal mehr die 4x100-m-Frauenstaffel der BSG Carl Zeiss Jena. Die sportlichen Leistungen, aber auch die tadellose Durchführung der Wettkämpfe mit einer gewaltigen Zuschauerresonanz stärkten das Ansehen der Leichtathletik-Hochburg Jena und bekräftigten den vom Oberbürgermeister Herdegen geäußerten Anspruch der Stadt Jena, zur Sportmetropole Thüringens zu werden.
Die Auflösung der Leichtathletiksparte Thüringen und die Bildung der Bezirksfachausschüsse Leichtathletik 1952
Wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Thüringer Leichtathletik hatten in Jahren von 1948 bis 1952 die Spartenleiter, Georg Schössow (Nordhausen) und vor allem der ab 1950 in dieser Funktion wirkende Heinz Birkemeyer (Erfurt), der u.a., rückwirkend bis 1947, die ersten Thüringer Nachkriegsbestenlisten zusammenstellte. Die Leitung der Landessparte Leichtathletik hatte zum 01.01.1950 folgende Zusammensetzung:
| Landesspartenleiter |
| Heinz Birkemeyer (Erfurt, BSG Pels) |
| Techniker |
| Fritz Feichter (Erfurt, BSG Pels) |
| Kampfrichter-Obmann |
| Franz Steinmetz (Gotha, BSG Energie) |
| Trainer |
| Arthur Linß (Jena, BSG Schott) |
| Mannschaftsbegleiter |
| Ewald Mertens (Nordhausen, BSG KWU) |
| Frauen |
| Siegfriede Dempe (Jena, BSG Zeiss) |
| Jugend |
| Willi Conrad (Humboldtschule Erfurt) |
Die Verwaltungsreform des Jahres 1952, die u.a. anstelle der Länderstruktur die Bildung von Bezirken sowie von neuen Kreisen verfügte, machte auch die bisherigen sportlichen Strukturen auf der mittleren und oberen Ebene hinfällig. An die Stelle des Landessportausschusses mit seinen Sparten traten Bezirkskomitees für Körperkultur und Sport und Bezirksfachausschüsse für die einzelnen Sportarten. Analoge Veränderungen vollzogen sich auf der Ebene der Kreise.
Nach der Auflösung der Leichtathletik-Landessparte Thüringen wurde die Organisation der Leichtathletik von den Bezirksfachausschüsse Erfurt, Gera und Suhl und den den in vielen Fällen neu zu konstituierenden Kreisfachausschüssen übernommen. So erfolgte am 22. August 1952 die Bildung des BFA Gera. An die Spitze der BFA´s traten erfahrene Fachleute, wie Artur Gliniorz, Max Keßler und Ernst Weber (BFA Gera), Jochen Glaeser und Fritz Feichter (BFA Erfurt).
Schwerpunktbildung und Sportclubgründung contra Breitensport
Frühzeitig setzte in der DDR die zentrale Förderung der Spitzensportler ein. Mit Blick auf die bis Frühjahr 1952 für möglich gehaltene Teilnahme von DDR-Sportlern an den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki wurden die Mitglieder der Leichtathletik-Kernmannschaft, darunter zahlreiche Thüringer, in mehrmonatigen Trainingslagern an der zentralen Sportschule in Greiz von den besten Trainern der Sektion Leichtathletik betreut.
Als neue Form der Leistungssportförderung kam es 1952 zur Bildung von Schwerpunkten bei den leistungsstärksten Sportgemeinschaften. In der Leichtathletik betraf dies: Einheit Nordost Berlin, Empor Leipzig-Lindenau, Einheit Mitte Halle und Motor Zeiss Jena. Die an ökonomisch starke Trägerbetriebe angebundenen Schwerpunkte erhielten staatlicherseits und von Seiten der Sektion Leichtathletik eine besondere Unterstützung. In diesem Zusammenhang wechselten die Trainer Heinz Birkemeyer und Hans Behr und mehrere Erfurter Athleten, u.a. Gerhard Schmolinsky, Gerhard Brauch, Ursula Kleinert und Gisela Köhler, zum Schwerpunkt nach Jena, der vor allem im Frauenbereich in den nächsten drei Jahren eine führende Rolle in der DDR einnahm. Im Finale der DDR-Mannschaftsmeisterschaften 1953 siegten sie unangefochten und konnten zudem bei den Gesamtdeutschen Mannschaftsmeisterschaften in Koblenz hinter den Frauen des 1. FC Nürnberg den 2. Platz belegen.
Das Paradestück war die Sprintstaffel, die 1954 in der Besetzung Clausner-Köhler-Weber-Fritzsch mehrere DDR-Rekorde lief. Die Jenaer Spitzenathletin Gisela Köhler gewann 1954/55 im Hürdenlauf Anschluß an die Weltspitze und bei den DDR-Meisterschaften 1955 allein vier Einzel- und zwei Staffeltitel. Die in diesen Jahren häufige Vergabe von Länderkämpfen und Meisterschaften nach Jena, z.B. des ersten Länderkampfes auf DDR-Boden am 1. und 2. Oktober 1953 gegen Polen, kann als Indiz für die anerkannte Stellung des Schwerpunktes Jena betrachtet werden.
Dagegen blieb die Ausstrahlung des Schwerpunktes Jena auf das leichtathletische Umfeld, begrenzt. Die Dominanz leistungssportlicher Aufgaben verdrängte das ursprüngliche Anliegen, andere Sektionen im thüringischen Raum, wie z.B. die einige Jahre lang in der Jugendarbeit sehr aktive und auch erfolgreiche SG Einheit Rudolstadt, aus der u.a die vielfache DDR-Meisterin Bärbel Mayer-Reinagel hervorging, personell und materiell zu unterstützen.
Die Gründung des SC Motor Jena im November 1954 sollte einen weiteren Leistungsschub bewirken. Doch nach dem Weggang führender Trainier und Athleten - besonders schwer wogen der Wechsel von Heinz Birkemeyer Ende 1955 und von Gisela Köhler zum SC Dynamo Berlin im Frühjahr 1956 sowie das Ausscheiden des Sektionsleiters Ernst Weber - wirkten sich gestörte Beziehungen zu den Sportgemeinschaften des Bezirkes sowie Probleme in der Jugendarbeit negativ auf die Leistungsentwicklung aus. Der Sportclub hatte es einige Jahre schwer, sich im Bezirk Gera als Leichtathletik-Leistungszentrum Anerkennung zu verschaffen und erlitt in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre einen schweren Leistungseinbruch.
Die am 1. März 1955 beim SC Turbine Erfurt gegründete Leichtathletik-Abteilung mußte beinahe beim Punkt "Null" beginnen, da die besten Erfurter Athleten zum Schwerpunkt nach Jena und talentierte Sportler aus dem regionalen Umfeld, wie z.B. Siegfried Herrmann (Unterschönau) und Johanna Lüttge (Gotha), ihre Laufbahn in anderen Schwerpunkten bzw. Sportclubs fortgesetzt hatten. Als Glücksumstand für Erfurt erwies sich 1957 die Gewinnung des in dieser Zeit besten Lauftrainers der DDR, Ewald Mertens, der zuerst als Bezirkstrainer und dann als Cheftrainer Leichtathletik im SC Turbine Erfurt tätig war. Seine kooperative Verbindung zu den Sportgemeinschaften und seine unermüdliche Suche nach Talenten sollte bald ihre Früchte tragen.
Deutsche Mannschaftsmeisterschaften (DMM) als Spiegelbild des Breitensports
Im Unterschied zu den hauptamtlich besetzten Sportclubs waren die Fachausschüsse ehrenamtliche Gremien. Sportwart, Nachwuchs- und DMM/Pokalverantwortlicher hatten nichts oder nur sehr wenig mit der leistungssportlichen Entwicklung zu tun. Sie hatten sich ausschließlich um das Trainings- und Wettkampfangebot der BSG-Sportler zu kümmern. Aus dieser Konstellation heraus stand der Breitensport im Mittelpunkt der BFA-Tätigkeit. So legten die Bezirksfachausschüsse Erfurt und Gera, sowie ab Anfang der sechziger Jahre auch der BFA Suhl, großen Wert auf eine möglichst breite Beteiligung an den Deutschen Mannschaftsmeisterschaften. Obwohl z.B. der Bezirk Gera zu den von der Einwohnerzahl her kleineren Bezirken der DDR gehörte, nahm er in den fünfziger Jahren stets eine vordere Position ein.
Gute Ergebnisse bei den Deutschen Mannschaftsmeisterschaften und Jugend-Mannschaftsmeisterschaften verzeichneten neben den Sportclubs über viele Jahre z.B. die Sportgemeinschaften Lok Gera, Dynamo Rudolstadt (KJS Bad Blankenburg), Motor Zeiss Jena, Dynamo Schleiz, Wissenschaft Jena, Motor Nord Erfurt, Aktivist und Lok Nordhausen (KJS Nordhausen) und Wissenschaft Weimar. Im Altersklassensport konnte die BSG Motor Zeiss Jena, geleitet von "Altmeister" Rudolf Klupsch, zahlreiche DDR-Mannschaftsmeistertitel erringen. In den ab 1966 anstelle der DMM durchgeführten DVfL-Pokalwettkämpfen gelang es speziell dem Bezirksverband Erfurt, ein Rundensystem aufzubauen, mit dem eine breite Wettkampfbeteiligung erreicht wurde.
DDR-Jugendmeisterschaft 1959 in Bad Blankenburg
Höhepunkte in der Jugend-Leichtathletik waren die Durchführung von DDR-Jugendmeisterschaften, die bis 1965 in den Einzel- und Staffelkonkurrenzen in folgenden thüringischen Städten stattfanden: 1952 in Jena, 1956 in Eisenach, 1959 in Bad Blankenburg und 1963 in Weimar. Die Vergabe der Meisterschaften des Jahres 1959 in die Kleinstadt Bad Blankenburg war mit Blick auf die seit Januar 1955 am Ort bestehende Kinder- und Jugendsportschule (KJS) des Bezirkes Gera erfolgt. Die KJS Bad Blankenburg hatte sich in der Leichtathletik zu einer der führenden KJS der DDR entwickelt, und vor heimischer Kulisse konnten die unter Dynamo Rudolstadt startenden KJS-Schüler 3 Meistertitel erringen. In der Altersklasse Jugend B erkämpfte ein anderer künftiger Spitzenathlet den Titel: Wolfgang Nordwig (SC Motor Jena) siegt mit 3,30 m im Stabhochsprung. Noch für den SC Turbnie Erfurt startend, siegte der künftige "Meistergeher" Hans-Georg Reimann im 5000 m Gehen.
Die intensive Arbeit an den Kinder- und Jugendsportschulen in Bad Blankenburg, Nordhausen und Erfurt sowie auch in Zella-Mehlis und bis 1963 in Meiningen, die bis in die sechziger Jahre hinein nicht vordergründig auf den Spitzensport ausgerichtet war, verhalf manchem Leichtathletiktalent zu großen nationalen und zum Teil auch internationalen Erfolgen. Dies geschah in den fünfziger und auch sechziger Jahren häufig in den Farben eines nichtthürigischen Clubs, da noch keine festeren Beziehungen zwischen dem Sportclub und der KJS der einzelnen Bezirke bestanden. Genannt seien z.B. Christian Voigt, Hans-Werner Regenbrecht (von KJS Bad Blankenburg zu SC Dynamo Berlin) und Volker Löffler (von KJS Meiningen/Zella-Mehlis zu SC DHfK Leipzig). Bei den Jugend-Mannschaftsmeisterschaften, den zentralen Sportfesten der KJS sowie bei den Wettbewerben um den FDJ-Pokal war insbesondere die KJS Bad Blankenburg erfolgreich.
Kampf um olympische Startplätze 1960 und 1964, und der erste Leichtathletik-Europameister aus Thüringen
40000 Zuschauer füllten das Erfurter Georgi-Dimitroff-Stadion am 7. August 1960 zum Teil 2 der Olympiaausscheidungen DLV-DVfL. Mit Armin Hary, Martin Lauer, Hans Grodotzki, Gisela Birkemeyer und der Weltrekord springenden Hildrun Claus (6,40 m) stellten sich Medaillenaspiranten vor, und auch der Lokalmatador Manfred Matuschewski sicherte sich mit einem zweiten Platz im 800-m-Lauf die Olympiafahrkarte. Er vor allem verkörperte den internationalen Durchbruch der von Ewald Mertens trainierten Erfurter Mittelstreckler, die 1961 durch den aus Halle kommenden Siegfried Herrmann und den Nordhäuser KJS-Absolventen Jürgen May auch zu einer schlagkräftigen Staffel geformt wurden. 1962 wurde Manfred Matuschewski in Belgrad Europameister im 800-m-Lauf. Es handelte sich um den ersten EM-Titel für einen DDR-Leichtathleten und den ersten großen internationalen Titel für die Thüringer Leichtathletik. Der Name Jürgen May bestimmte vor allem 1965 die Schlagzeilen, als er im Mittelstreckenbereich gegen stärkste internationale Konkurrenz bestand und u.a. in Erfurt Weltrekord über 1000 m lief.
Auch im SC Motor Jena stellten sich zu Beginn der sechziger Jahre wieder Erfolge ein, die mit den Namen Waldemar Skarus, Wolfgang Nordwig, Heilwig Winkler-Jacob und Inge Exner verbunden waren. Einen besonderen Wettkampfhöhepunkt erlebte das Ernst-Abbe-Stadion in Jena am 29./30. August 1964, als 20000 Zuschauer den Teil 2 die Olympiaausscheidungen zwischen dem DVfL und dem DLV erlebten. 6 Thüringer traten 1964 als Mitglieder der Gemeinsamen Deutschen Olympiamannschaft die Reise nach Tokio an: Siegfried Herrmann, Manfred Matuschewski und Jürgen May vom SC Turbine Erfurt und Heilwig Jacob, Inge Exner und Dieter Hartmann vom SC Motor Jena. Es dauerte jedoch noch bis 1968, ehe die erste olympische Medaille in der Leichtathletik für einen Thüringer Sportclub gefeiert werden konnte: Wolfgang Nordwig holte in Mexico-City nach spannendem Kampf die Bronzemedaille im Stabhochsprung.
Ausbau des Leistungssportsystems in den sechziger Jahre
Die vom II. Verbandstag des DVfL 1961 beschlossene Orientierung auf die Entwicklung der Leichtathletik "zu einem bedeutenden Mittel des Volkssportes" konzentrierte sich ab Mitte der sechziger Jahre immer deutlicher auf den Kinder- und Jugendbereich, und hierbei speziell auf die Förderung des Nachwuchsleistungssports. Dem dienten, wie in anderen medaillenträchtigen Sportarten, vor allem der forcierte Aufbau von Trainingszentren (TZ) und die engere Anbindung der KJS an die Sportclubs. Mit der Realisierung eines einheitlichen Sichtungs- und Auswahlsystems (ESA) wurde eine flächendeckende Erfassung sportlich begabter Kinder erreicht. Schließlich führten die 1965 erstmals durchgeführten Kinder- und Jugendspartakiaden zu einer neuen Qualität im Wettkampfwesen. Im Leistungssportbeschluß des Präsidiums des DTSB vom 22.04.1969 gehörte die Leichtathletik zu den vorrangig zu fördernden Sportarten.
Die ersten Kinder- und Jugendspartakiaden der DDR brachten von den drei thüringischen Bezirken insbesondere dem Bezirk Erfurt große Erfolge. In der Wertung der Bezirke wurde 1966 der sechste und 1968 der dritte Platz erreicht. Unter den Spartakiadesiegern von 1966 findet man bekannte Namen, u.a. Johanna Schaller (verh. Klier) vom SC Turbine Erfurt und Margitta Ludewig (verh. Droese-Pufe), Renate Meißner (verh. Stecher) und Hannelore Friedel vom SC Motor Jena sowie Ruth Gamm (verh. Fuchs), die seinerzeit noch für den SC Karl Marx-Stadt startete.
Während der Bezirksverband Erfurt bei den DDR-Spartakiaden stets einen vorderen Platz einnahm, gestaltete sich die Entwicklung der Kinder- und Jugend-Leichtathletik im kleineren Bezirk Gera komplizierter. Auf der BFA-Delegiertenkonferenz am 28.02.1970 wurden u.a. eine mangelhafte Zusammenarbeit zwischen SC Motor Jena und BFA und ein Rückgang der Leichtathletik im allgemeinen konstatiert. Statt systematischer Arbeit herrsche Aktionismus vor und eine "noch heute ungenügende Nachwuchszuführung zur KJS". Darüber könne auch der deutliche Mitgliederzuwachs, vor allem im Kinderbereich, nicht hinwegtäuschen.
In den siebziger Jahren erfolgte eine zunehmend bessere materielle und personelle Ausstattung der Trainingszentren mit Honorar- und hauptamtlichen TZ-Trainern und ihre Fixierung auf die Erkennung und Förderung von Talenten mit KJS.Perspektive. Da die TZ´s rechtlich den DTSB-Kreisvorständen unterstanden, blieben die KFA´s in die Prozesse der sog. 1. Förderstufe nur unmaßgeblich eingebunden.
Der Leichtathletikentwicklung im BFA Suhl waren durch die Schwerpunktsetzung auf den Wintersport und das Fehlen eines Sportclubs mit Leichtathletiksektion enge Grenzen gesetzt. Hinzu kam, daß an der KJS Zella-Mehlis die Leichtathletik keine Spezialsportart bildete und die KJS Meiningen 1963 geschlossen wurde. Die Trainingszentren und Leichtathletiksektionen delegierten talentierte Athleten in der Regel an die KJS des Bezirkes Erfurt bzw. den SC Turbine Erfurt. Bekannte Sportler, wie Hildegard Körner-Ullrich, Susanne Helm-Beyer, Sybille Thiele und Dagmar Rübsam-Neubauer begannen ihre Laufbahn im Bezirk Suhl.
Die kontinuierliche Arbeit im KFA Schmölln erfolgte insbesondere über das 1966 gegründete TZ Leichtathletik Schmölln, mit einer Außenstelle in Gößnitz, sowie die BSG Lok Schmölln. Die Delegierungen erfolgten an die KJS Leipzig bzw. den SC DHfK Leipzig. Die nahmhaft besetzten Sportfeste auf dem Pfefferberg in den siebziger Jahren schufen dabei eine gute Atmosphäre für die Entwicklung der Sportart Leichtathletik im gesamten Kreis Schmölln.
Die "goldenen Jahre" der Jenaer und Erfurter Leichtathletik
In den siebziger Jahren, als die Leichtathletik im Bezirk Gera "die Schwerpunktsportart Nr. 1" (1971) geworden war, stabilisierte sich die Situation im Nachwuchsbereich. Auf dieser Grundlage setzte eine Periode großer nationaler und internationaler Erfolge der Jenaer Leichtathletik ein, dem die Athleten des SC Turbine Erfurt nur wenig nachstanden. Ohne die Bedeutung von Europa- und (ab 1983) Weltmeisterschaften zu verkennen, soll an dieser Stelle nur auf die Teilnahme an den Olympischen Spielen eingegangen werden:
| SC Motor Jena | SC Turbine Erfurt | ||||||
Jahr | Teilnehmer | Gold/Silber/Bronze | Teilnehmer | Gold/Silber/Bronze | ||||
1968 | 2 | 0 / 0 / 1 | 1 | 0 / 0 / 0 | ||||
1972 | 6 | 4 / 1 / 0 | 3 | 0 / 0 / 0 | ||||
1976 | 5 | 2 / 1 / 1 | 4 | 2 / 1 / 0 | ||||
1980 | 8 | 2 / 1 / 2 | 12 | 2 / 1 / 0 | ||||
1988 | 6 | 1 / 2 / 3 | 5 | 0 / 0 / 2 |
Neben den Thüringer Olympiasiegern dieser Jahre, Wolfgang Nordwig, Ruth Fuchs, Renate Stecher, Marlies Göhr, Bärbel Wöckel, Ingrid Lange, Petra Felke (alle SC Motor Jena), Johanna Klier, Siegrun Siegl, Volker Beck und Hartwig Gauder (SC Turbine Erfurt) sollen weitere langjährige Erfolgsträger genannt werden wie: Rolf Beilschmidt, Klaus-Peter Justus, Siegfried Schenke, Waltraud Strotzer, Margitta Pufe, Bärbel Struppert, Heike Drechsler, Sabine Günther, Antje Kempe, Beate Koch (alle SC Motor Jena), Dieter Fromm, Henry Lauterbach, Annerose Fiedler, Christine Laser, Hildegard Körner, Sabine Busch und Dagmar Neubauer (SC Turbine Erfurt).
Einige "Sternstunden" Thüringer Leichtathletikgeschichte seien hervorgehoben:
- Bei den Olympischen Spielen 1972 in München erkämpfen Sportler des SC Motor Jena vier Goldmedaillen: Renate Stecher über 100- und 200 m, Ruth Fuchs im Speerwerfen und Wolfgang Nordwig, der mit der Weltrekordhöhe von 5,50 m als erster Nicht-US-Amerikaner eine olympische Stabhochsprungkonkurrenz gewinnt.
- Vier Jahre später bei den Spielen in Montreal beenden zwei Erfurterinnen punktgleich den Fünfkampfwettbewerb. Dank der besseren Leistungen in der Mehrzahl der inzeldisziplinen erhält Sigrun Siegl die Gold- und ihre Clubkameradin Christine Laser die Silbermedaille.
- Bei seinem Olympiadebüt in Moskau 1980 siegt Hartwig Gauder im 50 km Gehen.
- Die damals 19-jährige Heike Daute gewinnt bei der 1. Leichtathletik-WM 1983 in Helsinki Gold im Weitsprung und feiert den ersten großen internationalen Sieg ihrer Karriere
- Weltcup-Finale 1985 in Canberra: die 4x100-m-Staffel mit den 3 Jenenserinnen Sabine Rieger, Ingrid Auerswald und Marlies Göhr, sowie Silke Gladisch als Startläuferin, gewinnt in Weltrekordzeit von 41,37 s. Dieser Weltrekord hielt bisher allen Angriffen stand.
- Petra Felke wirft am 9. September 1988 den Speer auf die Weltrekordweite von genau 80 m. Kurz darauf wird sie in Seoul Olympiasiegerin in ihrer Spezialdisziplin.
Breitensport in den siebziger und achtziger Jahren
Die Konzentration der Verbandsarbeit auf den Leistungs- und Nachwuchsleistungssport führte in den siebziger und achtziger Jahren zwangsläufig zu Stagnationserscheinungen im allgemeinen Wettkampfsport. So reduzierte sich die Leichtathletik in vielen Kreisen des Bezirkes Gera "fast ausschließlich auf die Arbeit in den TZ und in den SSG, während arbeitsfähige Sektionen der Vergangenheit angehören" (BFA-Rechenschaftsbericht 1974-1978). Erfolgreiche Sektionen, in denen viele Jugendliche, Lehrlinge und Erwachsene für die Leichtathletik gewonnen werden konnten, bestanden zu dieser Zeit vor allem in den BSG Chemie Bad Köstritz, Dynamo Schleiz, Carl Zeiss Jena-Süd und Wismut Gera. In den achtziger Jahren kamen als aktive Sektionen u.a. HSG Uni Jena, Einheit Greiz und Traktor Schkölen hinzu. Neben einer guten Jugendarbeit konnten in diesen Sektionen auch Erfolge bei den DVfL-Pokal-Wettkämpfen, bei den Kleinen Meisterschaften des DVfL sowie teilweise im Altersklassensport erzielt werden. Hinsichtlich der erwachsenen Verbandsmitglieder hieß es, daß 15% regelmäßig trainierten und sich an Wettkämpfen beteiligten, 20% regelmäßig trainierten und sich der Laufbewegung verschrieben hätten, 20% nur trainierten und der Rest als Übungsleiter, Kampfrichter und Funktionär tätig sei.
Der vor allem im Kinder- und Jugendbereich erfolgreiche BFA Erfurt schätzte 1983 ein: "Wir haben im Bezirk ein wirklich gut ausgeprägtes Wettkampfsystem, so daß in der Saison kein Wochenende ohne Wettkämpfe vergeht. Alle Kreise haben Meisterschaften von den Kindern bis zu den Erwachsenen durchgeführt, so daß auch aus dem Klub rückdelegierte Sportler weiter aktiv bleiben können, und es in der Regel auch bleiben..." (Der Leichtathlet, H. 6/1983). Einen bedeutenden Anteil an dieser Entwicklung hatte der langjährige Bezirksturnrat Manfred Boldt.
Mitgliederstatistik der BFA Leichtathletik zum 31.12.1983
BFA | Sektionen | Gesamtmit- gliederzahl | Übungsleiter | Kampf- und Schiedsrichter | ||||
Erfurt | 177 | 13539 | 1267 | 1309 | ||||
Gera | 158 | 9817 | 890 | 899 | ||||
Suhl | 103 | 6113 | 389 | 357 |
Die Laufbewegung in Thüringen und der GutsMuths-Rennsteiglauf
Zu einer beachtliche Größe entwickelte sich in den siebziger und achtziger Jahren in den thüringischen Bezirken die Laufbewegung, deren Aufschwung den Wunsch vieler Sportbegeisterter nach mehr persönlicher Freiheit und Eigenständigkeit widerspiegelte. So wurde Ende 1984 vom BFA Gera eingeschätzt, daß es im Bezirk etwa 10000 Laufbegeisterte gäbe, wovon sich ca. 4000 an Wettkämpfen beteiligten und 15% Mitglied im DTSB seien. Die Integration in den BFA Leichtathletik erfolgte, wie im Bezirksverband Erfurt, über die 1984 gegründete Kommission Laufbewegung.
Die Wurzeln bzw. Richtungen der Laufbewegung bestanden in den traditionellen Wald- bzw. Crosslauf-Wettkämpfen, der vor allem im Bezirk Gera sehr aktiven Straßenlaufszene (seit 1967 Greizer Straßenläufe, Straßenläufe u.a. in Gera, Jena, Tanna, Eisenberg) und der Sportart Orientierungslauf (HSG Weimar und HSG Jena) sowie der vom DTSB ausgerufenen Meilenbewegung. Zum bedeutendsten Laufereignis in Thüringen und bald in der gesamten DDR wurde der 1973 von Jenaer Studenten und jungen Assistenten begründete und 1975 erstmals als Massenlauf durchgeführte GutsMuths-Rennsteiglauf, in dessen Organisation zahlreiche Sportgemeinschaften aus dem Bezirk Suhl einbezogen waren. 1977 gingen bereits über 5000 Läufer auf die Strecke, in den achtziger Jahren pegelte sich die Teilnehmerzahl, die seitens des DTSB limitiert wurde, zwischen 8500 und 9500 ein. Damit wurde der GutsMuths-Rennsteiglauf zum größten Crosslauf in Europa. Nach dem Vorbild des Rennsteiglaufes entstanden allein in den drei Thüringer Bezirken zwischen 1977 und 1982 über 40 neue Gelände- bzw. Landschaftsläufe, u.a. 1977 der Jenaer Kernberglauf, 1980 der Schwarzatallauf und der Wartburglauf in Eisenach und 1981 der Steinachtallauf.
Traditionswettkämpfe der Thüringer Leichtathletik
Doch auch die "klassische Leichtathletik" entwickelte in den thüringischen Bezirken der DDR eine Reihe von Wettkämpfen, die zum Teil bis in die Gegenwart hinein Bestand haben bzw. ausstrahlen. Dazu zählen z.B. die seit 1964 durchgeführten Nationalen Herbstsportfeste in Schmalkalden, der 1977 begründete "Arnstädter Hochsprung mit Musik", die internationalen Pfingstsportfeste im Jenaer Ernst-Abbe-Stadion, oder die 1975 zum ersten Mal veranstalteten DDR-offenen Nachwuchssportfeste in Schkölen. Das Erfurter Georgi-Dimitroff-Stadion und das Jenaer Ernst-Abbe-Stadion waren mehrfach Schauplätze von DDR-Meisterschaften, Olympia- und WM-Ausscheidungen.