Erfurt: Eine Premiere mal zwei

Hibbelig, aufgeregt, nervös: Irgendwie ein bisschen von alledem. Und dazu mischte sich noch eine gehörige Portion Euphorie und Vorfreude. Diese Tage haben es für Lena und Sina Riedel mächtig in sich. Ihre Gefühlswelt schwankt gehörig. Nicht verwunderlich, steht doch für die Nachwuchs-Geherinnen der erste Einsatz im Nationaltrikot bei den Team-Europameisterschaften in Podebrady (Tschechien; 16. Mai) kurz bevor. Und dafür braucht es auch die entsprechende Kleidung.

Dieser Tage erreichte sie ein großes Koffer-Packet des Deutschen Leichtathletik Verbandes (DLV). Gesendet an die Potsdamer Sportschule. Dem Ort, an dem Sina und Lena Riedel (ASV Erfurt) lernen und trainieren. Diese Überraschung haben sie sich ergangen, bei den Deutschen Meisterschaften in Frankfurt/Main. Sie überzeugten mit starken Leistungen über 10 Kilometer. Vor wenigen Tagen hatte die Warterei ein Ende, als der DLV sein Team für Podebrady bekanntgab. „Wir haben die ganze Zeit gehofft, weil es nicht zu 100 Prozent feststand, ob der DLV überhaupt Athleten nach Podebrady entsendet. Umso glücklicher waren wir, als wir die positive Nachricht erhalten haben“, klingen die 18-Jährigen erleichtert.

Schritt für Schritt zu neuen Zielen

Mit dieser Nachricht einher ging nun ein großes Koffer-Päckchen. Gefüllt war es mit Kleidung. Aber nicht mit irgendwelcher. Team-Europameisterschaft bedeutet internationaler Einsatz und damit Nationalkleidung. Sina und Lena Riedel werden diese Sachen mit dem Adler auf der Brust erstmals tragen. Das neue Dress soll beflügeln, und sie bestenfalls zu ihrem zweiten internationalen Einsatz tragen. Nämlich nach Tallinn, zu den U20-Europameisterschaften. Dafür sind 49:00 Minuten gefordert. Das wäre der erste Schritt. Der zweite schon mit Weitsicht. Es ist ihr letztes U20-Jahr. Nächstes Jahr starten sie in der U23, die Kadernorm liegt bei 48:30 Minuten. „Für uns wäre es ein perfekter Sonntag, beide Normen zu gehen“, meint Lena Riedel.

Perfekt, ja. Es muss aber nicht. Lieber Schritt für Schritt. „Wir hätten im weiteren Saisonverlauf noch zwei, drei Rennen, wo wir die Normen gehen können. Es muss jetzt nicht an diesem Sonntag sein, dass wir beide Normen gehen. Lieber ein Schritt nach dem nächsten. So ist es für mich am besten“, sagt Sina Riedel, die nach einer Verletzungspause (Knie) seit Anfang Mai zurück im Training ist. „Ich bin schmerzfrei und fühle mich wieder ganz fit. Im Training kann ich alles voll mitmachen, so dass ich gut an meine Zeiten herankomme.“ Mittels eines alternativen Programms wie Fahrradfahren und Schwimmen hatte sie nicht allzu viel ihres Leistungsvermögens verloren. „Das gibt mir den Mut und den Ehrgeiz, die Norm am Sonntag auch gehen zu können.“

Feinschliff in Kienbaum

Ihre Schwester Lena tankte derweil Selbstvertrauen beim Wettkampf in Reichenbach. Über die Unterdistanz von 5.000 Meter testete sie aus dem vollen Training heraus. „Meine Bestzeit zeigt mir, dass ich trotz des Trainings schnell gehen kann.“ Auf der Uhr standen 23:57,45 Minuten.

Den nötigen Feinschliff für die Team-EM holten sie sich in der ersten Maiwoche im Trainingslager in Kienbaum. Auf dem Plan standen größere Umfänge. Innerhalb von sechs Tagen legten sie 100-Geh-Kilometer zurück. Auch in Richtung Wettkampfgeschwindigkeit wurde gearbeitet. Die letzte Tempoeinheit gab es am Freitag, die etwas längeren 20 Kilometer zum Abschluss am Samstag. Nach dem Trainingslager folgten einige ruhigere Tage – bevor der Tross am Donnerstag in Richtung Podebrady startete.

Schnelles Pflaster: Podebrady gut für Bestzeiten

Für beide ist der Zielort kein unbekanntes Terrain. Schon drei Mal waren die Nachwuchs-Geherinnen im Vorprogramm des internationalen Gehermeetings am Start. Der 1-Kilometer-Rundkurs sei prädestiniert für schnelle Zeiten. „Die Strecke liegt uns, auf der wir bisher immer sehr gute Zeiten gegangen sind.“ Und eventuell bekommen sie bei ihrer internationalen Premiere familiäre Unterstützung. „Unsere Eltern haben sich für die Zeit ein Hotel gebucht und wir hoffen, dass sie als Zuschauer an der Strecke stehen dürfen.“ Der Start der weiblichen Jugend U20 erfolgt um 11.15 Uhr. „Das ist eine gute Startzeit und wir müssen nicht allzu früh aufstehen. Wir können in aller Ruhe frühstücken und haben vielleicht noch ein wenig Zeit, um die Jungs über 50 Kilometer zu unterstützen“, sagt Lena Riedel, die mit ihre Schwester den Teamgedanken lebt.

Sonntag sind sie dann ein fester Teil des deutschen Teams. Mit allem was dazugehört. So richtig glauben werden sie es wohl erst dann, wenn sie an der Startlinie stehen und der Startschuss ertönt. „Wir sind einfach nur glücklich, dass dieser Wettkampf stattfindet. Das war unser erstes Ziel für 2021. Als wir im Vorjahr den Plan für dieses Jahr bekommen haben, hatten wir leichte Zweifel, ob das alles stattfinden kann. Umso glücklicher sind wir jetzt, dass der Plan bisher aufgegangen ist“, freuen sich beide. Und dabei wirken sie immer noch ganz schön hibbelig, nervös und aufgeregt. -sam-