Apolda: Nelly Heinzig mit unverhoffter DM-Premiere

Es gibt Termine, die kommen ganz unverhofft. Irgendwann in der Saison. Nicht geplant rücken sie plötzlich in den Fokus. So wie bei Nelly Heinzig, die Anfang Juli beim Landesoffenen Blockmehrkampf des Thüringer Leichtathletik-Verbandes plötzlich im Block Wurf mit 2.572 Punkten die Norm für die Deutschen Blockmeisterschaften der U16 erfüllt hat. Noch am gleichen Tag fiel die Entscheidung: Wir fahren nach Markt Schwaben (7./8. August).

Sie sucht die Ruhe, sie braucht die Ruhe. Vor ihrem Wettkampf ist sie gern für sich allein. Irgendwann drückt sie die Play-Taste an ihrem Kopfhörer. Ein harter Beat wummert in ihren Ohren, sie hört Kontra K mit „Erfolg ist kein Glück“ rappen. Diesen Titel könnte Nelly Heinzig (Apoldaer LV 90) in Dauerschleife hören. „Der Titel passt zu mir. Erfolg ist für mich wirklich kein Glück.“ Wie heißt es darin weiter: sondern nur das Ergebnis von Blut, Schweiß und Tränen.

Wettkampf in Erfurt bringt unverhofftes DM-Ticket

Die 15-Jährige trainiert vier Mal in der Woche, ein Tag ist trainingsfrei. „Für mich ist dieser Tag der schlimmste in der Woche. Für mich gehört Sport zum Alltag, ohne Sport geht einfach nichts.“ Ebenso wenig, wie ein Wettkampf ohne ihr musikalisches Ritual. Sie wird den Titel wieder hören. Ganz sicher am Wochenende, vor dem Wettkampf, irgendwo in einer ruhigen Ecke, um sich für ihre DM-Premiere selbst zu pushen.

Dabei hatte sie diesen Termin überhaupt nicht auf dem Schirm. Erst der Wettkampf in Erfurt ließ ihn plötzlich in den Fokus rücken. Nach dem Wettkampf griff Trainer Max-Otto Strobel zum Handy. Er klickte sich durch die Ausschreibung der Block-DM und wurde fündig. Er holte seine Athletin dazu, beiden schauten sich die Liste an und blickten sich ungläubig an. „Das kam alles ziemlich überraschend. Ich habe meinen Trainer noch gefragt, was ist denn in Markt Schwaben? Er musste mich erstmal aufklären“, berichtet Nelly Heinzig, die danach sichtlich perplex war. „Block-DM, nicht dein ernst?“, fragte sie ihn. Er nickte. Sie hatte die Norm für den Block Wurf in der W15 erfüllt.

Gemeinsame Entscheidung für Start bei Block-DM

Plötzlich kullerten Tränen, ein sehr emotionaler Moment für beide. Noch am gleichen Tag, noch im Erfurter Steigerwaldstadion gab es eine Entscheidung. „Mein Trainer sagte zu mir, ich habe dich jetzt so viele Jahre tagtäglich im Training und zu Wettkämpfen begleitet, ich will mit dir zur Block-DM nach Markt Schwaben. Ich sagte zu ihm, ich will auch dahin.“ Sie werden diese Reise angehen. Gemeinsam. So wie die vergangenen acht Jahre, die sie jetzt schon zusammenarbeiten. „Wir verstehen uns fast blind. Max ist ein sehr motivierender Trainer. Er pusht mich, wenn es mir nicht so gut geht. Fragt mich immer, wie es mir geht. Er ist sehr fürsorglich. Für mich ist er wie ein großer Bruder“, beschreibt Nelly Heinzig ihren Trainer mit liebevollen Worten.

Zur Leichtathletik kam sie durch das Ausschlussverfahren. Zuerst habe sie Tennis gespielt. Sie merkte, der Sport passt nicht zur ihr. Ebenso wenig wie Fußball und Handball. Also blieb noch eine Option: Leichtathletik. Ihre Eltern nahmen sie mit zum Probetraining. Beim Apoldaer LV gefiel es ihr so gut, dass sie blieb. Irgendwann kam ihr jetziger Trainer dazu. Eine glückliche wie erfolgreiche Fügung.

Hürdensprint als Paradedisziplin

Und eben jene Fügung bringt sie jetzt zu ihrer ersten nationalen Meisterschaft. Im Training wird jede der fünf Disziplinen einmal noch durchgearbeitet, um sich das Gefühl zu erarbeiten und nach Dingen zu schauen, die weniger gut laufen. Wie beim Diskuswurf und Weitsprung. Ihre Paradedisziplin ist der Hürdensprint, wo sie die Einzelnorm für die U16-DM in Hannover (4./5. September) abhaken konnte. Darauf haben sie hingearbeitet. „Wir haben uns die vergangenen zwei Jahre auf die Hürde fokussiert, damit sie perfekt wird“, erzählt Nelly Heinzig, die ihre Bestleistung in diesem Sommer auf 12,15 Sekunden steigerte.

Ihr Programm für Markt Schwaben sieht so aus: 80 Meter Hürden, Diskus, 100 Meter, Weitsprung und Kugelstoßen. Zum Auftakt gleich die Paradedisziplin. Ein schneller Auftakt kann beflügeln für weitere gute Ergebnisse. „Ich kann mich auch wieder aufrappeln, wenn der Auftakt nicht gelingen sollte. Natürlich ist es schöner, wenn man mit einem guten Ergebnis startet.“ Sie würde sich freuen, wenn sie ihre Bestleistungen im Weitsprung und Diskuswerfen weiter verbessern oder halten könnte. Ebenso wie ihre Hürdenzeit. Angepeilt ist eine Top-10-Platzierung.

Feinschliff in Kienbaum

So langsam beginnt das Kribbeln und die Aufregung steigt vor dem ersten DM-Start. „Ja, ich bin schon aufgeregt“, sagt sie lächelnd. Dabei hat sie in dieser Saison unheimlich viel Selbstvertrauen getankt. Lief sie mit einer Ausnahme doch wie am Schnürchen. „Der letzte Wettkampf in Haldensleben war der einzige schlechte in diesem Jahr“, sagt Nelly Heinzig. Die Krönung folgte mit zwei DM-Normen. „Seit Max und ich zusammenarbeiten, ist es unser gemeinsames Ziel zur DM zu fahren. Jetzt haben wir es geschafft. Und das gleich zwei Mal“, freut sie sich über den erfolgreichen Saisonverlauf.

Den letzten Feinschliff holte sich Nelly Heinzig mit ihrem Trainer im einwöchigen Trainingslager in Kienbaum. Langsam rückt der Sonntag näher. Genau jener Tag, der weder als Wettkampftag in ihrem Kalender stand noch in dem ihres Trainers. Aber oftmals sind die ungeplanten Termine einfach die schönsten. -sam-

Für Nelly Heinzig wäre der Siebenkampf durchaus eine sportliche Option. Eine, die dort schon angekommen ist, ist Serina Riedel (TSV Zeulenroda). In diesem Sommer startete sie erstmals international bei der U20-EM in Tallinn und holte dort einen beachtlichen vierten Platz. Sie verfolgt auch die jüngeren Athleten. Wie eben Nelly Heinzig und freut sich sehr über deren Entwicklung. "Nelly soll einfach Spaß haben und zeigen was sie kann. Sie kann stolz auf sich sein, bei Deutschen Meisterschaften antreten zu dürfen - und dann auch noch im Mehrkampf. Da reicht es nicht nur gut sprinten oder springen zu können, man muss alles können und verrückt genug sein, sich dem zu stellen. Sie rockt das, da glaube ich fest dran", richtet sie einige motivierende Worte an die junge Athletin.

Einschätzung von Trainer Max-Otto Strobel:

"Nelly ist eine unheimlich ehrgeizige, zuverlässige und motivierte Sportlerin, die sich selbst Ziele setzt und dann alles investiert, um diese auch zu erreichen. Es bereitet ihr unheimlich viel Spaß zu trainieren, sodass sie auch mit härteren Einheiten keinerlei Probleme hat. Neben ihrer Einstellung zur Leichtathletik, ist es die Vielseitigkeit, die sie ausmacht. Mit den Sprungdisziplinen tut sie sich manchmal noch schwer - aber daran arbeiten wir aktuell genauso, wie an der für uns im Trainingsprogramm neuen Disziplin Diskus."