National wie international ist Iris Opitz eine feste Größe: Die 58-Jährige ist in ihr letztes Jahr der Altersklasse W55 gestartet, musste aber vor den Deutschen Hallenmeisterschaften in Frankfurt die Reißleine ziehen. Erstmals überhaupt bremste die Bad Köstritzerin eine kleine Verletzung aus. Verzichten wird sie außerdem auf eine Teilnahme bei den Hallen-Weltmeisterschaften in Gainesville (USA; 23. bis 30. März).
Einfach mal machen, könnte gut werden. Wenn man den sportlichen Werdegang von Iris Opitz (LAV Elstertal Bad Köstritz) in den vergangenen Jahren verfolgt hat, trifft es dieser Satz ganz gut. Ihr Umzug von Hameln nach Bad Köstritz brachte 2011 den entscheidenden Impuls. Zunächst für ihre Tochter Mara, die sie bei der Leichtathletik bei Horst Krinke angemeldet hatte. „Er schaute mich an und sagte zu mir, du kannst doch auch mitmachen, wenn du willst“, erinnert sich Iris Opitz. Sie hatte bereits im Hameln erste Versuche für ein Training unternommen. Allein wollte sie nicht. „Dort hat sich nichts ergeben, es wollte keiner.“ In Bad Köstritz war alles anders. Im September begann ihr eigener Weg in die Leichtathletik, 2012 kamen die ersten Wettkämpfe wie Deutsche Meisterschaften und 2015 ihre erste internationale Meisterschaft in Torun.
„Ich war bisher bei 13 internationalen Meisterschaften und habe immer Medaillen mit nach Hause gebracht. Das erste war noch eine Staffelmedaille, dann kamen die Medaillen in den Einzeldisziplinen. Jetzt sind es teilweise vier pro Meisterschaft“, erzählt Iris Opitz, die bei ihren bisherigen 13 internationalen Einsätzen 36 Medaillen erkämpft hat. Einer ihrer damaligen Trainingspartner Timo Krinke hatte ihr damals ein Bord für die Medaillen gebastelt. „Das war so eine Art Rahmen. Ich habe dann gesagt, wenn der voll ist, dann höre ich auf. Dann habe ich einen zweiten Rahmen bekommen. Der ist mittlerweile auch schon voll. Nach den Weltmeisterschaften in Göteborg im vergangenen Jahr habe ich die Medaillen einfach an die anderen mit drangeclippt.“
Anfängliche Skepsis für die 400 Meter
Ans Aufhören denkt die 58-Jährige noch lange nicht. Der Gedanke kam ihr über die Jahre auch nie in den Sinn. Zu sehr hat sie die Leidenschaft für diese Sportart gepackt. Ihre Paradedisziplinen sind der Kurzsprint sowie der Weitsprung. Letztere Disziplin hatte sich während der Corona-Pandemie verflüchtigt. Dafür kamen eher durch einen Zufall die 400 Meter ins Spiel – und brachten ihr sogar einen Meisterschaftsrekord. Im Vorjahr bei einem Masters-Meeting in Shkodra (Albanien) begann das Abenteuer über 400 Meter. „Ich hatte zwischen zwei Wettkämpfen noch Zeit, mein Mann Olaf meinte, lauf doch einfach mal die 400 Meter.“
Es folgte ein weiterer Start bei den Deutschen Meisterschaften in Erding - in persönlicher Bestzeit von 65,52 Sekunden gab es einen von drei deutschen Meistertiteln. Die anfängliche Skepsis über diese Strecke begann zu bröckeln. „Ich dachte mir, so schlecht ist sie ja gar nicht. Obwohl ich die 400 Meter gar nicht trainiere.“ International wurde ihr die Ehre bei der Weltmeisterschaft in Göteborg als Schlussläuferin der Frauenstaffel über 4x400 Meter zuteil. Bei den Frauen markierte das Quartett Anja Schönemann (HNT Hamburg), Marion Stedefeld (SV Creaton Großengottern), Ulrike Wefers-Fritz (Mönchengladbacher LG) und Iris Opitz in 4:30,25 Minuten einen neuen Meisterschaftsrekord. „Das war schon außergewöhnlich. Man denkt sich in den Moment, wie krass.“ Zuvor hatte sie bereits Bronze über 200 und 400 Meter gewonnen.
Ehrung für Mixed-Staffel
Fast wäre noch eine Goldene mit der 4x100-Meter-Staffel der W45 hinzugekommen. Als Schlussläuferin behauptete sich Iris Opitz gegen die viel jüngere Konkurrenz aus Großbritannien. „Sie hat mich einfach nicht bekommen“, zeigte sich Iris Opitz immer noch stolz über ihre Leistung als Schlussläuferin. Im Nachgang wurde die deutsche Staffel disqualifiziert, ein Wechselfehler kostete die Goldmedaille. „Für mich war es trotzdem ein Fest vor der stärksten Britin ins Ziel zu kommen.“ Über 100 Meter wurde es Rang vier. Wehmut verspürte sie keinen. Ihr Ziel lautete Endlauf. „Die Konkurrenz für eine Medaille war einfach zu stark. Ich habe mich gefreut, dass ich Esther [Colás Román] geschlagen habe“, sagt Iris Opitz. Weltmeisterin wurde die Australierin Julie Brims, der gleiche Jahrgang wie Opitz. „Ich habe sie immer vor mir. Bei der WM 2016 in Perth bin ich Vize-Weltmeisterin geworden, sie war vor mir. Es bleibt das Ziel auch für die W60, sie vielleicht irgendwann zu schlagen. Sie ist wirklich gut, dass muss ich neidlos anerkennen.“
Eine besondere Ehrung wurde ihr Anfang des Jahres zuteil. „In der Masters-Leichtathletik stellen die Staffeln einen der wichtigsten Momente dar, in dem eine Einzelsportart in eine gemeinsame Anstrengung verwandelt wird, die die Freude am Zusammensein feiert und die Kräfte für ein gemeinsames Ziel bündelt. Die EMA [European Masters Athletics] hat sich daher entschieden, drei Staffeln als außergewöhnliche Beispiele für diese Leidenschaft und diesen Teamgeist auszuzeichnen“, heißt es in der Mitteilung. Zu den drei Staffeln gehört die deutsche Mixedstaffel (AK 55) über 4x200 Meter mit Roland Gröger, Iris Opitz, Bernd Lachmann und Barbara Gähling. Das Quartett hatte 2024 bei der Hallen-EM in Torun in 1:45,88 Minuten einen Weltrekord aufgestellt. „Dieses Team ist ein perfektes Beispiel für genreübergreifende Zusammenarbeit“, hieß es in der Begründung.
Vofreude auf die WM 2026
Hinter ihren nationalen wie internationalen Erfolgen braucht sich eine Iris Opitz jedenfalls nicht zu verstecken. Sie hat bereits viel erreicht – und will noch mehr. Nicht bei der Hallen-WM in Gainesville (USA), sie hat sich frühzeitig für einen Startverzicht entschieden. „Es ist mein letztes Jahr in der W55, die Reise kostet auch viel Geld. Ich war jetzt schon vier Mal in Florida. Man sieht drumherum nicht viel, weil ich fast jeden Tag starten würde. Der Verzicht fiel mir dennoch nicht leicht“, sagt die ehrgeizige Athletin. Fest geplant ist die Masters-EM auf Madeira (Portugal; 8. bis 19. Oktober). Mitte Januar war bereits alles fix – Hotel, Flug und Mietwagen alles organisiert.
Nämlich durch ihren Mann Olaf, der sie auf ihren Reisen bestmöglich unterstützt. Gemeinsam haben sie schon so manch fremde Stadt lieben und schätzen gelernt. Wie Perth und Daegu. „Wir sind in Länder gekommen, die man so vielleicht nicht auf dem Schirm hat. Wir waren zur Hallen-WM 2018 in Daegu. So ein Ambiente, so liebevolle Leute und so eine Begeisterung haben wir selten erlebt“, schwärmt Olaf Opitz. Umso mehr freuen sich die beiden auf 2026, wenn die Masters-Weltmeisterschaften in Daegu stattfinden. „Das ist das große Ziel für 2026. Für mich ist es dann mein erstes Jahr in der W60“, betont Iris Opitz.
Startverzicht aus Vernunft
Sie ist dann die „Neue“, die „Jüngere“ und kann sich von Neuem beweisen. Darauf freue sie sich. Noch aber startet sie in der W55. Ihren Start bei der Hallen-DM in Frankfurt musste sie verletzt absagen. „Ich war bisher nie verletzt. Ich bin einfach nur dankbar, dass mein Körper, das überhaupt alles mitmacht“, weiß sie um ihr gute Gesundheit. Jetzt hat es sie doch erwischt. Vor drei Wochen, im Training bei einer Sprungbewegung passierte es. Trotzdem startete sie am Folgetag in Chemnitz. Zu Wochenbeginn ging dann nichts mehr – Notaufnahme. Die Diagnose: kleiner Kapselriss im Knie. Sie hatte noch auf einen DM-Start gehofft. Vergeblich. Sie ist vernünftig, will den Sommer mit der Masters-DM in Gotha (22. bis 24. August) und der EM auf Madeira nicht gefährden. „Es geht langsam wieder vorwärts. Im März darf ich wieder loslegen“, freut sie sich nach ihrer „Zwangspause“ auf das Training. Zweimal die Woche fährt sie dafür nach Jena, ihr Trainingspartner Thomas Winkler ist ihr persönlicher „Quäler“.
„Mein Trainer Horst Krinke hat aufgehört, da gab es kaum noch ältere wie aktive Athleten bei uns im Verein. Masters-Athleten gibt es derweil in Jena, die auch dort trainieren“, erklärt Iris Opitz, die kürzlich ihren Trainerschein gemacht hat und beim LAV Elstertal Bad Köstritz „ein bisschen unterstützen“ und ihre Erfahrungen weitergeben möchte. Schließlich weiß sie noch ganz genau, wie sie einst im September 2011 eine neue sportliche Heimat für sich gefunden hat – und nun von Erfolg zu Erfolg eilt.