Groß, größer, Amerika: Für Carmen Hildebrandt wurde die WM-Reise nach Gainesville (Florida) zu einem richtigen Abenteuer – kulturell wie sportlich. Erst sicherte sich die Kugelstoßerin der W55 die Silbermedaille bei den Hallen-Weltmeisterschaften, dann folgte die Belohnung mit einem Besuch des Everglades-Nationalparks. Große Unterstützung erfuhr sie in diesen Tagen von ihrer Schwiegertochter sowie der Greifenpower-Truppe um Jeanette Denz, deren Mann Stefan sowie Nadine Kant.
Sie hätte womöglich Stunden über ihre Zeit in den USA erzählen können. So aufregend und abenteuerlich waren ihre zwei US-Wochen. Angefangen vom sportlichen bis hin zum kulturellen und entspannten Teil in Miami. Die ersten Tage wurden ein wenig getrübt. Ein Asthmaanfall jagte den nächsten. „Die Natur ist dort wirklich wunderschön, aber ich hatte echt mit den Blütenpollen zu kämpfen. Mag auch daran gelegen haben, dass ich vorab eine schwere Bronchitis gehabt habe und sich die Lunge noch nicht ganz erholt hatte. Mein Asthmaspray war immer dabei“, berichtete Carmen Hildebrandt (Eisenacher LV).
Entspannt trotz gesperrter Kugel
Schwer beeindruckt zeigte sie sich indes über Gainesville, wo extra ein Athletendorf hergerichtet wurde. „Die Stadt war schön, die Leute freundlich.“ Selbst hat sich die Reisetruppe eine Ferienwohnung genommen. Natürlich alles in XXL – von der Küche über die Schlafzimmer bis zum Bad. Trotz der Größe - ein richtiger Ort zum Wohlfühlen. Zunächst stand für alle der sportliche Part im Vordergrund. Bei Carmen Hildebrandt das Kugelstoßen in der W55. Und bereits da erlebte sie ein Auf und Ab der Gefühle. Freitag war ihr Wettkampf angesetzt. Allerdings hatte sie etwas „im Kleingedruckten“ überlesen. „Ich wollte gern meine Kugel schon am Vortag abgeben, aber das durfte ich nicht. Meine Kugel wurde gesperrt, weil ich sie am Wettkampftag 20 Minuten zu spät zum Wiegen abgegeben habe. Regulär sind es immer 90 Minuten, hier waren es zwei Stunden. Der Veranstalter hatte Kugeln bereitgestellt, aber vom Durchmesser nur sehr große“, schilderte sie ihr „Drama“. Doch sie blieb für ihre Verhältnisse recht entspannt, sagte sich: „Egal, es sind für alle die gleichen Bedingungen, und es hat mich dann nicht weiter gestört.“
Im Vorfeld hatte sie sich schon eine kleine Medaillenchance ausgerechnet, geliebäugelt hatte sie auf Grund der starken Konkurrenz mit Bronze. Beim Einstoßen schwanden die Hoffnungen, die Konkurentinnen wie die Kanadierin Annamaria Szanto und die Australierin Toni Matters ließen die Muskeln spielen. „Ich dachte mir in dem Moment, du musst dich jetzt im Wettkampf gehörig strecken, um überhaupt Fünfte zu werden.“ Doch dann passierte genau das Gegenteil, die Konkurrenz schwächelte. „Sie sind alle eingebrochen. Selbst von der Polin [Anmerk. Marzena Wysocka], die als Zweite gemeldet war, kam nichts“, beschrieb sie die Geschehnisse im Ring.
Sie selbst hatte im ersten Durchgang mit 11,50 Metern vorgelegt. Zwar keine absolute Topweite, aber dennoch solide. Dass diese Weite am Ende für Silber reichen würde, damit hätte sie nicht wirklich gerechnet. „Das ich mir mit dem ersten Stoß Silber sichere, das war schon toll. Auch wenn ich mir von der Weite ein bisschen mehr gewünscht hätte.“ Dennoch überwog die Freude.
Traum geht in Erfüllung
Auf die sportliche Arbeit folgte das Vergnügen – mit der Weiterreise nach Miami. Angekommen bei Starkregen, auf den Straßen stand das Wasser bereits einige Zentimeter hoch. Dazu die sehr hohe Luftfeuchtigkeit, die Klimaanlagen liefen überall im Dauerbetrieb. Die Regenfälle sorgten im Hotel für einen Stromausfall. Dementsprechend funktionierte kein Aufzug. Ihre Zimmer lagen im 9. Stock. Die kleine Reisegruppe wurde Stunden hingehalten, ehe sie auf die Zimmer durften. „Sie haben uns einfach mit unseren Koffern stehenlassen. Wir mussten sie dann selbst in den 9. Stock schleppen“, berichtete die aus Hohenkirchen stammende Athletin
Umso mehr tröstete sie der Gedanke, sich dieser Tage einen Traum erfüllen zu können. Damit meinte sie nicht etwa eine entspannte Woche am Miami Beach, sondern der Besuch des Everglades-Nationalparks. „Für mich das i-Tüpfelchen und Belohnung zugleich. Das muss man einfach gesehen haben, wenn die Krokodile direkt auf das Boot zu geschwommen kommen oder ganz ruhig daliegen. Wir wurden sogar gewarnt nicht so nah an die Tiere ranzugehen, die sind pfeilschnell und beißen zu.“ Dass Miami ebenso eine schöne Kulisse für Filmproduktionen ist, zeigte sich bei einem Spaziergang am Strand, als plötzlich wie aus dem Nichts ein Set aufgebaut wurde. „Das passiert halt, das ist Amerika“, sagte Carmen Hildebrandt schmunzelnd.
Nicht zum Schmunzeln war ihr angesichts der hohen Lebensmittelpreise. So wurde sich zu Fünft in den Einkauf reingeteilt. Nicht alle können sich diesen Standard leisten, so ist Armut und die weit verbreitete Obdachlosigkeit allgegenwärtig. Auf der anderen Seite die riesigen Villen, die direkt am Wasser liegen. „Man kommt aus den Stauen einfach nicht heraus. Einfach heftig.“ Ebenso wie über die Sauberkeit. „Egal, wo wir auf Toilette waren, es war alles sauber. Wir mussten nirgends etwas bezahlen.“ Gainesville und Miami – zwei US-Städte, die hätten unterschiedlicher kaum sein können. Für Carmen Hildebrandt eine Erfahrung, die sie keinesfalls missen möchte. Dennoch war sie froh, nach zwei Wochen „wieder daheim zu sein“. Zuhause gab es nach ihrer Ankunft eine Überraschungsparty, es wurde gegrillt und natürlich von den erlebnisreichen Tagen in „Big“-Amerika erzählt.