München: Holprige Vorbereitung für Jonathan Hilbert

Aufatmen bei Jonathan Hilbert: Nach seiner WM-Absage wegen einer Corona-Infektion meldet sich der Vize-Olympiasieger für die Heim-EM in München (15. bis 21. August) fit und blickt mit großer Vorfreude seinem Start über 35 Kilometer entgegen. Die Vorbereitung verlief alles andere als rosig.

Dieser Tage jährte sich sein bisher größter Erfolg zum ersten Mal: Jonathan Hilbert (LG Ohra Energie) gewann überraschend wie sensationell bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio die Silbermedaille. Historisch war dieser Erfolg in jeglicher Hinsicht. Das traditionelle 50-Kilometer-Gehen stand letztmals im Olympia-Programm. Dieser Tage erinnerten Bilder in den sozialen Netzwerken an seinen Silbercoup. Bilder, die Vergangenes plötzlich wieder ins Gedächtnis rufen. Bilder, die Emotionen wecken. Bilder, die bleiben. Und eben diese eine Medaille. Die Vergangenheit glänzte silbern. In weniger als einer Woche beginnen die Europameisterschaften in München – mit Jonathan Hilbert über die erstmals bei einer EM ausgetragenen Wettkampfdistanz über 35 Kilometer.

Zwei-Kilometer-Rundkurs im Herzen der Münchner Innenstadt

Im Herzen der Münchner Innenstadt werden unter anderem die Medaillen-Entscheidungen der Geher über 35 und 20 Kilometer ausgetragen. Beeindruckend ist dabei der Start-Ziel-Bereich des zwei Kilometer langen Rundkurses auf der Ludwigstraße vor dem Odeonsplatz, den die Geher mehrmals passieren werden. Aufgebaut sind Tribünen, die 2.500 Zuschauern Platz bieten und kostenfrei sind. Diese sollen an den Wettkampftagen natürlich voll besetzt sein, um den Athleten eine stimmungsvolle Kulisse zu bieten. Zudem können sich die Besucher rund um die Strecke frei bewegen und sich die beste Position zum Anfeuern suchen. So wie zuletzt bei den Weltmeisterschaften 2017 in London oder ein Jahr später bei den Europameisterschaften in Berlin.

Die ersten EM-Medaillen bei den Gehern werden über die längste wie neuste Distanz vergeben. Erstmals im EM-Programm stehen dabei die 35 Kilometer, die am 16. August, um 8.30 Uhr, ausgetragen werden. Nach seiner WM-Absage hat Jonathan Hilbert den Fokus auf die Heim-EM in München gelegt und sich darauf vorbereitet. „Ich fühle mich gut“, setzt er ein erstes positives Zeichen. Wenngleich ihn die Corona-Infektion gehörig aus der Bahn warf und geschwächt hat. Drei Wochen waren es, in denen „nicht viel passiert ist“. „Mich hat es kräftig erwischt – das volle Programm. Das war wirklich nicht so schön. Der Zeitpunkt war jetzt auch nicht der beste“, sagt der 27-Jährige.

Keine optimale EM-Vorbereitung

Der Weg zur Heim-EM ein holpriger. Nicht nur allein der Corona-Infektion wegen. Sein Körper kam in den Wochen davor schon nicht zur Ruhe. Alle paar Wochen brachten ihn „irgendwelche Zipperlein“ aus dem gewohnten Rhythmus. Dazu im Vergleich die Vorbereitung vor den Olympischen Sommerspielen in Tokio. „Von September 2020 bis April 2021 bin ich gut durchgekommen. Danach traten erst die schwerwiegenden Probleme am Schambein und den Adduktoren auf“, berichtet Jonathan Hilbert, der die aktuell Situation als gegeben hinnimmt. „Ich kann es nicht ändern. Ich bin auch nur ein Mensch. Ich darf jetzt nicht nervös werden und muss einfach das Beste aus der Situation machen.“

Was ihm jetzt fehlt, das sind Spritzigkeit und Schnelligkeit. „Weil sich der Körper gefühlt alle zwei Wochen gemeldet hat, musste ich kürzertreten und konnte daher nicht so viel Schnelligkeit trainieren“, erklärt Jonathan Hilbert. Die er aber für die neue Strecke braucht. Das haben die Weltmeisterschaften in Eugene (Oregon) gezeigt. Weltmeister wurde der Italiener Massimo Stano, der sich ein Jahr zuvor zum Olympiasieger über 20 Kilometer krönte. Von der kürzeren 20-Kilometer-Distanz kommt auch der Schwede Perseus Karlström, der in beiden Konkurrenzen antrat und zwei Bronzemedaillen mit nach Hause nahm.

Tatkräftige Unterstützung für die Geher

Vor der Heim-EM rücken die deutschen Athleten natürlich mehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit. Erwartungen werden geschürt, die Jonathan Hilbert auch mit seiner holprigen Vorbereitungen dämpft. „Es muss an dem Tag einfach alles zusammenpassen. Du musst das Momentum erwischen. Ich gehe offen in die Konkurrenz und schaue für was es am Ende reicht.“ Vorbereiten wird er sich die Tage noch in der Heimat, bevor er dann am 13. August nach München fährt. Den Streckenkurs kennt er. Detailliert beschrieben auf der Veranstaltungsseite. Abgehen wird er den Kurs vorab nicht nochmal. „Für mich ist wichtig, wo die privaten Verpflegungsstände und Getränkestände sind. Ich sehe keinen Vorteil in einer Streckenbegehung.“

Ernst wird es für ihn am 16. August. Auf der Strecke ist er für sich allein, bei sich, aber auch mit dem Blick in die Zuschauermenge, wo die Familie, Freundin Anna, Freunde und einige Wegbegleiter ihn kräftig anfeuern werden. „Die Vorfreude ist schon groß. Ich freue mich, wenn viele Zuschauer an der Strecke stehen und uns anfeuern. Während des Rennens hat man schon den Blick und sieht seine Familie. Bei meiner ist es so, sie stehen nicht immer an der gleichen Stelle. Das ist dann für mich immer so ein Überrasschungsmoment“, freut sich Jonathan Hilbert auf seinen Start und natürlich die Unterstützung. -sam-