Erfurt: Ein perfekter Abschluss aus der U18-Klasse

In Erfurt, im Steigerwaldstadion gelang Marie Herre Mitte Juni der Sprung, der sie zu den U18-Europameisterschaften nach Rieti (Italien) gebracht hätte. Mit 12,61 Meter hatte sie die EM-Norm im Dreisprung um elf Zentimeter übertroffen. Aber bereits im Vorfeld der Sommersaison wurde der internationale Höhepunkt für die U18-Talente pandemiebedingt aus dem Programm gestrichen. Der Deutsche Leichtathletik-Verband hatte sich ein Ersatz-Programm für diese Altersklasse überlegt und Ende August zu einem viertägigen Team-Event nach Ruhpolding geladen.

Die Talente erlebten besondere Tage. Ganz nach dem Motto „Vom ich zum wir“. Das geschah durch unterschiedliche Gruppen-Aufgaben und Spiele. Fünf Gruppen mit jeweils zehn U18-Talenten wurden eingeteilt. Die Gruppen setzten sich dabei aus den unterschiedlichen Disziplinen zusammen. Marie Herre (Erfurter LAC) zeigte sich erleichtert, dass sie mit einem vertrauten Trainingspartner, nämlich Benedikt Wallstein, in eine Gruppe eingeteilt wurde. „Ich war schon froh, dass Benedikt mit dabei war. In den Tagen hat man dann die anderen Teilnehmer recht gut kennengelernt und Freundschaften geknüpft. Ich bin allgemein ein sehr offener Mensch und habe mich besonders mit den Mädchen gut verstanden“, berichtete Marie Herre über das Kennenlernen.

Herausfordernde Aufgaben

Am Abschlussabend präsentierten die Gruppen ihre mit Musik untermalten Ausarbeitungen. „Wir haben zehn Fragen bekommen und mussten uns in der Gruppe überlegen, wie wir die Antworten darstellen können. Gefragt wurde zum Beispiel: Wie siehst du aus, wenn du deine Ziele erreicht hast? Was ist außerhalb des Trainings wichtig? oder wer unterstützt dich?“ Daneben standen auch sportliche Spiele auf dem Programm. Zuerst galt es Fragen über die Olympischen Spiele zu beantworten. Darauf gab es Punkte. Bei der zweiten Aufgabe mussten sie einschätzen, wie viel langsamer oder schneller zwei Nachwuchs-Bundestrainer über 2x400 Meter sind. Als Zeit waren drei Minuten vorgegeben.

Was fliegt am weitesten? Papierflieger, Federball, Tischtennisball oder Streichholz. Bei der abschließenden Insta-Challenge bekamen die Gruppen jeweils einen Betreuer zugewiesen. Dieser zeigte ihnen auf dem Handy nacheinander sechs Bilder aus der näheren Umgebung. Wie zum Beispiel ein Garagentor oder Baustellenschild. Dahin musste sie laufen, ein Selfie machen und wieder zurücklaufen. Dann bekam die Gruppe das nächste Bild gezeigt. „Das waren ganz schöne Sprints, ich habe danach ganz schon gepumpt. Es war anstrengend, aber hat dennoch viel Spaß gemacht“, resümierte Marie Herre.

Biathlon in Theorie und Praxis

Bei diesem Lehrgang blickten die jungen Teilnehmer auch über den Tellerrand der Leichtathletik hinaus. Nämlich beim Biathlon. Zunächst berichtete Weltklasse-Biathletin Franziska Preuß von ihrem Werdegang, von den ersten Starts bei Nachwuchsmeisterschaften bis hin zur WM-Goldmedaille mit der Staffel. „Das fand ich sehr informativ, aber ich bin jetzt nicht der große Biathlonfan. Schaue es meist nur nebenbei, wenn es meine Eltern im Fernsehen verfolgen.“

Nach der Theorie folgte die praktische Anwendung unter der fachkundigen Anleitung von Biathlon-Ikone Fritz Fischer. In der Chiemgau-Arena durften sich die Leichtathletik-Talente mit dem Biathlon-Gewehr ausprobieren. Im Liegendanschlag waren die großen, schwarzen Scheiben für den Stehendanschlag aufgezogen. „Das war schon richtig cool an der Anlage. Von mir aus hätte ich das sicher nicht gemacht“, sagte Marie Herre. Als sie das Gewehr in die Hand bekam und durch das Diopter schaute, war sie anfangs etwas irritiert. „Ich hatte gedacht, ich sehe alles vergrößert – wie als wenn ich durch eine Lupe schaue. Aber die Scheiben waren noch genauso weit entfernt. Das Schießen war gar nicht so leicht, aber spannend, es mal ausprobieren zu dürfen.“

Muskelkater beim Wandern

Bei einer Bergwanderung wurde nicht nur die Kondition auf die Probe gestellt, es wurden auch viele Gespräche geführt. Für diese Tour hatte Marie Herre in weiser Voraussicht ihre Wanderschuhe eingepackt. Obwohl sie anfangs von „einem kleinen Spaziergang“ ausging. „Wir sind eine Stunde nur berghoch. Das war extrem anstrengend. Von der Wanderung hatte ich am nächsten Tag ordentlich Muskelkater.“ Den Aufstieg bis zum Gipfelkreuz wagte sie nicht mehr. Die Kälte kroch langsam durch den Körper. „Ich habe dann alles angezogen, was ich in meinem Rucksack dabei hatte. Es half nichts, ich habe am ganzen Körper gezittert und gefroren. Es wurden dann noch Decken verteilt.“

Von Biathlon bis Bergwandern – die U18-Talente verlebten erlebnisreiche wie unvergessliche Tage. Das schönste Geschenk kam für Marie Herre in einem großen Karton. Darin ein Koffer, prall gefüllt mit der DLV-Teamausstattung. „Wir haben wirklich alles bekommen. Mein Bett war voll, als ich alle Sachen ausgepackt habe. Für mich sind die Sachen eine schöne Motivation.“ Nämlich für das nächste Jahr, ihr erstes in der U20. Der sportliche Anreiz heißt dann U20-Weltmeisterschaft in Cali (Kolumbien). Dort will und möchte sie dabei sein, um erstmals das Nationaltrikot zu tragen. Aber dafür muss sie erneut eine Norm erfüllen.

DM-Bronze im letzten Versuch

Diesen Sommer hat sie trotz schwieriger Fersenprobleme mit starken Leistungen gemeistert. Gerade auch mit der EM-Norm. „Die Norm zu springen, das habe ich mir gewünscht – und habe es geschafft.“ Gern hätte sie die Norm nochmals bestätigt. Bei der Jugend-DM in Rostock verhinderten starke Winde eine noch bessere Leistung. Ebenso wie der innere Druck. Mit dem ersten Sprung auf 12,21 Meter war sie sich sicher, die Weite reicht für die Top 8. Sie hielt lange die Silberposition. Es kamen ungültige Versuche, kürzere Versuche. Sie musste zittern, um einen Medaillenplatz. Plötzlich war sie vor ihrem letzten Sprung Vierte. „Ich habe mich vor meinem letzten Versuch hingestellt, habe am ganzen Körper gezittert und mir gesagt, das kann es jetzt nicht sein“, erinnerte sich die 17-Jährige zurück.

Im letzten kam die erhoffte Steigerung auf 12,30 Meter. „Der Sprung sah gar nicht so weit aus. Ich war richtig erleichtert, ob der Weite. Ich hätte selbst nicht gedacht, dass ich in dem Moment so die Nerven behalte und mich nochmals steigern kann.“ Sie konnte – und holte DM-Bronze. Das war ihr Saisonabschluss. Seit gut drei Wochen läuft das Training wieder – ganz entspannt. „Wir haben zum Start ein bisschen Fußball gespielt und ein Dauerlauf stand auf dem Programm.“ -sam-