Erfurt: Der Olympia-Traum lebt noch: Karl Junghannß nimmt 20 Kilometer ins Visier

Untröstlich blickte Karl Junghannß auf seinen vermutlich letzten 50 Kilometer Wettkampf seiner Karriere zurück. Bei den Team-Europameisterschaften der Geher im tschechischen Podebrady wollte er sich eigentlich den dritten und damit letzten deutschen Startplatz für die Olympischen Spiele in Tokio sichern. Dafür hätte er vor Geher-Kollege Nathaniel Seiler (TV Bühlertal) ins Ziel kommen müssen. Beide hatten im Vorfeld des Rennens die Olympia-Norm schon unterboten. Das gelang dem 25-Jährigen nicht. Der Olympia-Traum ist noch längst nicht ausgeträumt. Neuer Versuch: 20 Kilometer in La Coruna (Spanien; 5. Juni).

Er will nichts unversucht lassen. Nicht dass er sich hinterher Vorwürfe macht, warum habe ich es nicht einfach probiert. Und genau mit dieser Einstellung wird Karl Junghannß (Top Team Thüringen) versuchen, sich doch noch den Traum von den Olympischen Spiele in Tokio (Japan) zu erfüllen. Allerdings nicht über 50 Kilometer, sondern über 20 Kilometer. Mit den Potsdamern Nils Brembach und Christopher Linke gibt es über diese Distanz schon zwei Normerfüller. Um das dritte Ticket kämpfen Hagen Pohle (SC Potsdam), Leo Köpp (LG Nord Berlin) und Karl Junghannß. Gefordert sind 1:21:00 Stunden.

Nichts zu verlieren

Nur drei Wochen nach seinem Start in Podebrady will er den Versuch einer Normerfüllung beim Geher-Meeting im spanischen La Coruna starten. Seine Bestzeit über diese Distanz steht bei 1:22:08 Stunden, datiert aus dem Jahr 2017. „Ich habe im Training, wo wir einen 10-Kilometer-Test gemacht haben, gemerkt, dass ich auch ohne viel Schnelligkeitstraining relativ gute Zeiten gehen kann. Dennoch weiß ich, die 20 Kilometer sind von der Herangehensweise eine ganz andere Strecke. Trotzdem rückt sie jetzt für mich in den Fokus“, sagt Karl Junghannß.

Auf dieser Strecke wird er vom ersten Kilometer noch mehr gefordert sein. In allen Bereichen. „Ich muss eine Stunde richtig fokussiert sein und die ganze Zeit kämpfen. Das ist eine Strecke, auf der ich das Tempo relativ hoch anschlagen muss“, erklärt er den Unterschied zur Langstrecke. Sollte er die Olympia-Norm schaffen, müsste es seiner Meinung nach für den dritten deutschen Startplatz reichen. Dafür muss er loslassen, das Vergangene relativ schnell abschließen und sich auf die 20 Kilometer konzentrieren. „Ich habe nichts zu verlieren. Es ist ein Versuch, ich will diesen Wettkampf noch machen.“

Vorbereitung auf Team-EM: zwei Wochen

Der Olympia-Traum lebt noch. Auch wenn es über die 50 Kilometer am Ende nicht funktioniert hat. „Das zeigt aber auch, dass die deutschen Geher über die Langstrecke extrem stark geworden sind. In den vergangenen Jahren hätte die Norm sicher gereicht. Jetzt reicht nicht mal mehr das, um bei Olympia dabei zu sein. Das ist eigentlich ein gutes Zeichen“, meint Karl Junghannß.

Untröstlich sind seine Gedanken auch dahingehend, dass diese Distanz bei den Olympischen Spielen ein letztes Mal im Programm steht. „Das ärgert mich eigentlich am meisten. Es wird keine 50 Kilometer mehr geben. Für mich wäre die Olympiateilnahme über diese Distanz ein schöner Abschluss gewesen. Außerdem kann über diese Strecke immer viel passieren.“ Nach den Olympischen Spielen wird in Gänze auf 35 Kilometer umgestellt. Teilweise wurde diese neue Strecke schon jetzt bei einigen Meetings mit angeboten.

Zwiegespalten blickt er auf seinen letzten 50er zurück. Vorbereitungszeit: zwei Wochen. Ein Faszienriss im Beuger warf ihn in den vergangenen Wochen gehörig zurück. Diese Diagnose erhielt er nach seinem Start beim Internationalen Geher-Meeting in Dudince, wo er nach 19 Kilometern mit Muskelproblemen ausstieg. Die Zeit wurde knapp - drei Wochen bis zur DM, acht Wochen bis zur Team-EM. Doch wie sich die Verletzung entwickelte, glaubte Karl Junghannß an einen DM-Start. „Ich habe dann ein bisschen zu schnell wieder mit dem Training angefangen. Ein, zwei Tage vor der DM ist es wieder schlimmer geworden.“ Die DM war kein Thema mehr. Stattdessen Ruhe und Regeneration - wertvolle Zeit ging verloren.

Mental viel investiert

Ihm blieben noch fünf Wochen bis zur Team-EM. Drei Wochen verliefen mit alternativem Programm, ehe er die ersten kurzen und langsamen Einheiten mit dem Gehen beginnen konnte. Diese zwei Wochen waren schlussendlich zu wenig. Wenngleich er das Rennen in Podebrady recht mutig begann, von der Spitze weg. Äußerlich sah es anfangs bei ihm sehr gut aussah. Derweil sendete sein Kopf andere Signale. Zweifel kamen angesichts der kurzen Vorbereitungszeit auf.

„Die ersten 20 Kilometer sind mir unheimlich schwer gefallen. Ich hatte mental ein paar Probleme. Ich war noch nicht 100-prozentig überzeugt, ob es am Ende reichen wird. Nach den ersten drei Runden hatte ich schon vier gelbe Karten bekommen. Das hat zusätzlich zu meiner Verunsicherung beigetragen“, erzählt er. Mental musste er viel investieren. Der Marke von 20 Kilometer war so ein Punkt, ab dem es dann wieder bergauf ging. Er wurde schneller.

Start bei Team-EM mit zwei Seiten

Auf den letzten acht Kilometern rebellierte der Magen. Er kämpfte sich irgendwie durch. Dann kam der letzte Kilometer, wo er wieder zulegen konnte. „Die Energie war da. Rein vom körperlichen Gefühl war ich soweit, die Zeit zu gehen. Vom Kopf war es eine schwierige Situation. Die Verletzung kam einfach zum ungünstigsten Zeitpunkt. Anscheinend hat das Training nicht gereicht, um mir die nötige Sicherheit zu geben.“ Im Ziel standen Platz acht und Team-Silber zu Buche. Nach zwei vierten Plätzen 2017 und 2019 ein tolles Mannschaftsergebnis.

Karl Junghannß konnte selbst diese Medaille nicht trösten. Sein großes Hauptziel hatte er an jenem Tag verfehlt, sich für die Olympischen Spiele über 50 Kilometer zu qualifizieren. „Sicherlich war es nicht die schlechteste Zeit und ich bin auch froh, dass ich es ins Ziel geschafft habe, aber unterm Strich hat es nicht gereicht.“ Etwas Positives bleibt dennoch: „Das Rennen hat mir gezeigt, dass ich wieder voll belastbar bin.“ Vom Körperlichen, vom Beuger. Das sollte ihn hoffnungsvoll stimmen, in seiner Vorbereitung auf die 20 Kilometer. Das Meeting in La Coruna ist ein Versuch – nicht mehr und nicht weniger. -sam-