Zeit für ein neues Kapitel: Nach Abitur und ihrem letzten U20-Jahr beginnt für Chantal Rimke in diesen Tagen ein neuer Lebensabschnitt. Und das viele Autokilometer entfernt von ihrer Familie und ihrem alten Trainingsumfeld in Jena. Die Nordhäuser Nachwuchs-Kugelstoßerin verstärkt die leistungsstarke Trainingsgruppe um Artur Hoppe in Stuttgart, will sich im Drehstoßen probieren und beginnt parallel ein Studium Grundschullehramt in Ludwigsburg.
Große Entscheidungen brauchen gewöhnlich Zeit. Doch allzu viel Zeit blieb Chantal Rimke nicht, um im Sommer über ihr sportliche Zukunft nachzudenken. Gefordert von Abitur und einer kräftezehrenden Sommersaison mit dem Höhepunkt der U20-WM in Lima (Peru) stellte die Nachwuchs-Kugelstoßerin ihre sportlichen Weichen bereits früh. „Mir war sehr wichtig, dass ich in eine leistungsstarke Trainingsgruppe komme“, berichtet die 19-Jährige die als großer Familienmensch am liebsten in deren Nähe geblieben wäre. Aus Nähe wird nun Ferne – sie zieht es in den Süden der Republik.
Neuanfang und Abschied
Dafür nahm sie Kontakt zu Artur Hoppe auf. Der ehemalige Kugelstoßer und jetzige Trainer bemühte sich daraufhin sehr um die erfolgreiche Thüringer Nachwuchsathletin, die nach dem ersten Kennenlernen in Stuttgart sofort sicher war - dieser Weg ist der Richtige. „Ich habe mir alles in Ruhe angeschaut, es hat mir auf Anhieb super gefallen, und ich wollte es“, sagt Chantal Rimke, die zudem als Angleiterin vor einer Technikumstellung steht. „Ich bin sehr offen und will das Drehstoßen probieren.“ Zur leistungsstarken Trainingsgruppe gehören unter anderem die deutschen Kugelstoß-Asse wie Silas Ristl, Tizian Lauria, Alina Kenzel, Eric Maihöfer oder Kelson de Carvalho.
Damit einher ging der Abschied aus Jena. Insbesondere von ihrer Trainerin Petra Felke. „Für mich war sie wie meine zweite Mutti“, sagt Chantal Rimke, mit der sie in den Jugendklassen nationale wie internationale große Erfolge feiern durfte. In diesem Jahr zwei deutsche U20-Meistertitel in der Hallen- und Freiluftsaison. International war es Silber bei der U18-EM (2022), Bronze bei der U20-EM (2023) sowie die Teilnahme bei der U20-WM (2024). „Meine Trainerin hat mich vor meinem WM-Start im Trainingslager in Kienbaum betreut. Am letzten Tag wurde es sehr emotional und hart, weil wir eine sehr intensive Zeit verbracht haben. Sie wird mir sehr fehlen“, bekräftigt Chantal Rimke die sehr stabile Trainer-Athlet-Beziehung.
Ratlos nach Quali-Aus bei U20-WM
Bei der U20-WM in Lima sollten sich nicht alle sportlichen Träume erfüllen. Erst in den letzten WM-Tagen durften die Kugelstoßerinnen ran. „Mit der Anpassung an die Zeit haben wir bereits in Kienbaum begonnen. Das waren für uns harte Tage, aber vor Ort hatten wir keine großen Probleme. Einige Sportler fingen an zu kränkeln. Wir waren froh, dass es uns nicht erwischt hat“, erzählt Chantal Rimke, die als Minimalziel das Finale ausgegeben hatte. Die Stöße beim Einwerfen in der Qualifikation ließen hoffen. Im Wettkampf ging plötzlich nichts mehr. „Der Körper wollte einfach nicht. Wir können uns das bis heute nicht erklären“, zuckt Chantal Rimke mit den Schultern und zeigt sich ratlos, „wir haben damit gerechnet, 15 Meter zu stoßen, um ins Finale zu kommen“. Gereicht hätten 14,50 Meter. Chantal Rimke stieß 14,09 Meter.
Zum Vergleich: Ihre Bestmarken stehen seit diesem Jahr bei 15,76 Meter (Halle) und 15,69 (Freiluft). „Es war einfach wie verhext an diesem Tag. Auch bei Jolina [Lange] lief es nicht. Nach ihrem Wettkampf saßen wir zusammen. Es hatte mich etwas beruhigt, dass auch sie gefühlt hat. Im ersten Moment war ich enttäuscht. Klar. Dann wiederum auch froh, diese Erfahrung gemacht zu haben“, berichtet Chantal Rimke, die nach ihrer Rückkehr ein paar erholsame Tage mit ihrem Freund in Berlin und anschließend mit einer Freundin in Köln verbrachte. Doch seit einigen Tagen klopft das neue Kapitel immer mehr an ihre Tür. „Ich freue mich, bin sehr gespannt und aufgeregt, was mich erwartet“, sieht sie mit gemischten Gefühlen dem neuen Lebensabschnitt in einer neuen Stadt sowie einem neuen Umfeld entgegen.
Eigene vier Wände in Stuttgart, Schwester Neele greift an
Und das erstmals in ihren eigenen vier Wände, nahe des Olympiastützpunkts gelegen. Klein, aber fein könnte man die 22 qm² bezeichnen, die so gut wie fertig eingerichtet sind. „Bisher habe ich von Stuttgart nur die Möbelhäuser gesehen. Meine Eltern und meine Schwester helfen mir jetzt in den Herbstferien noch ein wenig, bevor es dann richtig losgeht.“ Nämlich in der neuen Trainingsgruppe und dem Studium. Studieren wird sie Grundschullehramt in Ludwigsburg. „Ich wollte gern etwas mit Kindern machen, am liebsten mit jüngeren. Zuhause helfe ich meiner jüngeren Schwester Neele bei den Hausaufgaben. Ich habe relativ viel Geduld, um Sachen zu erklären“, begründet sie ihre Berufswahl. Dass mit dem Helfen wird nun nicht mehr so einfach möglich sein. Heimfahren wird Chantal Rimke nicht mehr so häufig. Für eine Strecke ist sie gut 4,5 Stunden unterwegs. „Ich fahre zwar gern Auto, aber das ist selbst mir zu lang, um jedes Wochenende nach Hause zu kommen.“
Der Name Rimke bleibt in den Ergebnislisten in doppelter Hinsicht präsent, denn Schwester Neele (HSG Nordhausen) ist auf dem besten Weg ihre eigene Kugelstoß-Geschichte zu schreiben. Die 13-Jährige verbesserte erst kürzlich ihre Bestleistung auf 11,05 Meter. „Damit zieht sie mich schon ein wenig auf, dass ich in ihrem Alter nicht so weit gestoßen habe“, sagt Chantal Rimke lächelnd. Gleichwohl ist sie unheimlich stolz auf ihre kleine Schwester, der sie zutraut, ebenfalls den Weg an die Sportschule einzuschlagen. Neele besucht die 8. Klasse am Nordhäuser Herder-Gymnasium. „Sie hat jetzt wieder die Anfrage vom Sportgymnasium bekommen, und hat für das Trainingslager in den Herbstferien in Zinnowitz zugesagt“, berichtet Chantal Rimke stolz. Vielleicht beginnt auch da bald ein neues sportliches Kapitel. -sam-





